Ich habe mich oft gefragt, wie Menschen wie Tilo Sarrazin so werden, wie sie sind. Ich glaube, ich habe jetzt etwas Ahnung davon bekommen. Man sagt etwas im Interview, wird leicht missinterpretiert, und stellt fest: Wow, das knallt ja richtig. Jetzt gibt es zwei Wege: Entweder man macht den Sarrazin und verstärkt und polarisiert das gesagte und wird reich. Selten habe ich so viele Anfragen als Keynote Speaker und für Interviews bekommen wie in den letzten Tagen, als die Wirtschaftswoche-Geschichte erschien, aber auch schon vorher als ein Interview von mir bei Joel von der Gründerszene als Schlagzeile in der Financial Times Deutschland auftauchte.
So als Anti-Samwer würde mir wahrscheinlich demnächst einen Platz auf der Couch von Maybrit Illner sichern. Oder so. Buch Bestseller (Stephan “Günther O.” Uhrenbacher: Die Abkupferer” garantiert.
Leider ist es nicht so einfach:
Die zuletzt bei Groupon ganz hervorragend aufgegangene Strategie der Brothers S. ist zu allererst Zeugnis für eine absolut brilliante Umsetzungspower, mit der sie geschaft haben, schneller zu wachsen als das Original. Darauf können sie mit Recht stolz sein, und ich werde sie dafür nicht von der Seite anpinkeln.
Alle Beteiligten sind dabei reich geworden. Die Samwers noch mehr als vorher, Chapeau!. Groupon aber auch sonst hätten sie eine dramatisch langsamere Wachstumsstory und würden beim Börsengang einen dramatisch niedrigere Bewertung realisieren, und auch die beteiligten Investoren. Ich arbeite aktiv mit eVenture zusammen, die als einziger Fonds weltweit gleich in drei Groupon Clones investiert waren, die jetzt an Groupon verkauft wurden: in Deutschland, in Japan und in Russland. Auch der Standort Deutschland, vor allem Berlin profitiert unglaublich durch die Samwers: Berlin ist eCommerce Hauptstadt Deutschlands nicht wegen Subventionen, sondern wegen des Samwer-Ökosystems aus Alando, Jamba, Rocket etc. Das ist super für den Standort Deutschland.
Wie kommt es dann zu dieser Schlagzeile?
Ich habe viel Kontakt zu Absolventen von Elite Unis und habe erschreckend oft festgestellt, dass da tolle Talente sitzen, die ausschliesslich auf das Next big thing aus USA warten, um da schnell drauf zu springen. Keinerlei eigene Kreativität. Und das ist schade. Wenn es statt zwei Groupon-Clones auf einmal 25 gibt, dann heisst das, das mindestens 23 – manchmal tolle – Teams aufs falsche Pferd setzen, als mal etwas Neues zu wagen. Wenn VCs nur noch Modelle finanzieren, für die es euphemistisch gesagt einen “proof of concept” gibt, d.h. ein erfolgreiches US-Vorbild, dann läuft da was falsch.
Das wollte, und werde ich in Zukunft mit solchen Interviews gerne weiter sagen. Die Amerikaner sind weltweites Vorbild vor allem im Bereich “Business Model Innovation”. Da wir schon immer zuerst geleast, was vorher gekauft wurde; shared was vorher besessen wurde, und so weiter. Klar macht es Sinn das zu übernehmen, und es ist eine wunderbares Geschäftskonzept, systematisch das schnell hier hochzuziehen, was funktioniert. Wir brauchen aber auch hier mehr Menschen, die sich in die Bedürfnisse der Kunden reinversetzen können, und da was neues draus machen. Qype ist tatsächlich so entstanden, so unglaubwürdig das klingt. Avocadostore hat kein US Vorbild.Gleichzeitig bin an mehrere Unternehmen beteiligt, die als Ziel haben, durch bessere Umsetzung schneller zu wachsen, als ein Vorbild.Es braucht für einen guten Standort beides: exzellente Umsetzungspower, und zwischendurch auch mal eine gute Idee.
http://stephan-uhrenbacher.com/copycats-die-aktive-verhinderung-einer-talkshow-karriere/463/
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Sehr guter Beitrag Stephan. Ich persönlich finde es auch erschreckend, wenn ich auf Veranstaltungen jungen Leuten begegne, die zwar viele eigene Ideen haben, aber dann doch lieber etwas Bekanntes aus Amerika zu kopieren versuchen. Manchen fehlt einfach der Mut und das Durchhaltevermögen für das Eigene!
Wir haben, wie Du richtig sagst, viele eigene Talente in Deutschland, doch diese müssen stärker gefördert werden, damit sie nicht in diesen Copycat Wahn verfallen. Hier ist unbedingt ein Umdenken erforderlich, auch von VC-Seite her. Gerade im Seed-Bereich muss da noch viel getan werden.
[…] This post was mentioned on Twitter by Martin Weigert, Stephan Uhrenbacher. Stephan Uhrenbacher said: http://stephan-uhrenbacher.com/copycats-die-aktive-verhinderung-einer-talkshow-karriere/463/ […]
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[…] Copycats – die aktive Verhinderung einer Talkshow Karriere. "Ich habe viel Kontakt zu Absolventen von Elite Unis und habe erschreckend oft festgestellt, dass da tolle Talente sitzen, die ausschliesslich auf das Next big thing aus USA warten, um da schnell drauf zu springen. Keinerlei eigene Kreativität. Und das ist schade. Wenn es statt zwei Groupon-Clones auf einmal 25 gibt, dann heisst das, das mindestens 23 – manchmal tolle – Teams aufs falsche Pferd setzen, als mal etwas Neues zu wagen. Wenn VCs nur noch Modelle finanzieren, für die es euphemistisch gesagt einen “proof of concept” gibt, d.h. ein erfolgreiches US-Vorbild, dann läuft da was falsch." […]
Strategisches Kopieren hat, auch wenn es kurzfristig lukrative Nebenwirkungen vlt. auch für Standorte hat, langfristig genau solche fatalen Entwicklungen.
Auch lese ich im deutschen, nicht VC-abhängigen (Fach)journalismus zuviel nur von US-Playern oder reinen, deutschen Copycat-exit-Geschäftsmodellen – und zuwenig von deutschen Unternehmen mit nachhaligen Web-Innovationen. Und ich glaube nicht, dass es davon bereits zu wenige (und gute) gibt. Man müsste diese halt auch mal selbst recherchieren.
Ich möchte das nicht ins bashing von Journalisten ausarten lassen. Aber wenn ich auf fast allen Veranstaltungen, die ich in über 10 Jahren besuchte, ein “mit sich selbst beschäftigt” und einer Eigeninszenierung statt so gut wie nie “was machen Sie?” nebst gezielten Fragen von Redakteuren erlebe, rätsle ich dann mal schon und könnte es mit als kleinen Grund betrachten.
Strategisches Kopieren hat für mich auch oftmals nichts, aber auch gar nichts mit Unternehmensethik zu tun. Und auch das sollte man, wo und von wem auch immer möglich, vermitteln.
Mehr Nachhaltigkeit, weniger exits, und bitte wieder mehr neugierige Journalisten!
Schöner Kommentar von @uhrenbacher: http://stephan-uhrenbacher.com/copycats-die-aktive-verhinderung-einer-talkshow-karriere/463/
RT @uhrenbacher: http://stephan-uhrenbacher.com/copycats-die-aktive-verhinderung-einer-talkshow-karriere/463/
Steffen Richter wrote:
“… Manchen fehlt einfach der Mut und das Durchhaltevermögen für das Eigene!”
Leider fehlt es auch an den Investoren an Mut – speziell Angels.
Ich bin beim Berliner Founder Institute (www.founderinstitute.com) und wir hatten schon Mentoren die uns nicht erzählen wollten woran sie gerade arbeiten, aus angst, dass in Deutschland deren sofort Idee kopiert wird.
Bald, wenn es schon nicht der Fall ist, hat man mehr angst vor Deutschland, als China oder Indien; was Copycat’s angeht.
Cooler Beitrag von Stephan Uhrenbacher http://bit.ly/hpbFRT zu Copycats und Business Model Innovation. Lesenswert.
RT @hitmeister: Cooler Beitrag von Stephan Uhrenbacher http://bit.ly/hpbFRT zu Copycats und Business Model Innovation. Lesenswert.
RT @uhrenbacher: http://stephan-uhrenbacher.com/copycats-die-aktive-verhinderung-einer-talkshow-karriere/463/
Das ganze nennt sich im Marketing doch auch Early-Follower-Strategie. Von den Fehlern anderer lernen ist dabei ein entscheidender Vorteil, während viele Follower aber kein allzu großen Branding Effekt mehr abbekommen.
In deinen Beispielen heißt das aber paradoxer Weise auch: Die Fehler der anderen noch größer zu machen und sie besser auszuschlachten! Ironisch!
… ein Gründer, der das viel höhere Risiko wagt,
Zitat aus der WIWO:
Viele der Gründer legen es deshalb von Anfang an nur darauf an, sich ihr Unternehmen von einem US-Rivalen abkaufen zu lassen. “Das ist mit viel weniger Risiko verbunden, als selbst ein großes Geschäft aufzubauen”, sagt Internet-Unternehmer Stephan Uhrenbacher.
Ihr Statement fasziniert mich, weil ich mich seit längerer Zeit mit dem Aufbau eines Startups mit einer neuen Produktkategorie beschäftige. Da ich mit der Entwicklung meines Prototypen sehr gut vorankomme, möchte ich Ihnen diesen bei einem persönlichen Gespräch gern vorstellen.
Worum geht es (natürlich hier nur abstrakt)?
Es geht um ein User Interface mit dem Medieninhalte nach persönlicher Relevanz geordnet werden.
Ich bin der Meinung, dass aus den Produktkonzepten Google (i.e.S.), Facebook und Wikipedia sowie Demand Media eine neue Produktkategorie hervorgeht. Stärkster Treiber ist das Social Web! (Zusatz: Facebook, Twitter sind nur der Anfang von etwas viel größerem ist – die Nutzer lernen grad)
Ich würd mich sehr freuen, wenn Ich Ihnen mein Geschäftsmodell vorstellen dürfte!
Ach so, mein Statement zum Risiko:
Das Risiko ist sehr sehr hoch. Wie hoch es tatsächlich ist, bemerke ich erst heute. Trotz dieser Erkenntnis sag ich immer noch: „Wer nichts riskiert, kann nichts gewinnen!“.
visionäre Unterstützer erreichen mich unter:
Twitter @w3scmi (dieses Kürzel verwende ich, um das „viel höhere Risiko“ nicht noch größer werden zu lassen. Stichwort: Zweigleisig)
@Stephan Uhrenbacher:
Ich kann mir vorstellen, dass Sie terminlich ausgelastet sind. Dennoch hoffe ich, dass ich eine Rückantwort von Ihnen bekomme. Sofern ich keine Antwort erhalte, muss ich davon ausgehen, dass Sie keine Kenntnis von meinem Kommentar haben. Sollte dies der Fall sein, werde ich die Anzahl der Kontaktaufnahmen zu Ihnen sukzessiv erhöhen. :=)
Grüße in die Runde
Schönes Statement.
Und ist sicher beruhigend, dass man einen Plan B hat zu dessen Umsetzung man nur ein wenig polarisieren muss 😉
Versteh ich nicht. Mit 9flats haben Sie doch gerade selbst eine US-Site detailgetreu kopiert.
Ich sehe nichts schlechtes oder problematisches darin ein bestehendes Business Modell zu übernehmen. In Punkto Internationalisierung würde ein bestehendes US Businessmodell irgendwann eh in Deutschland landen und warum dann nicht diesem Bestreben bereits voraus sein und dann ein angepasstes US Model für Deutschland oder Europa enstprechend mit Gewinn diesem Interessenten überlassen. ich bin überzeugt, dass es midestens genauso schwierig ist ein US Model auf Deutschland zu adaptieren als es in den USA zum Startup erstmalig in den Markt zu bringen.
Weiter so SU 🙂
gruss TOM!
Ich sehe es genauso wie Michael, nur würde es sogar etwas schärfer ausdrücken.
Aber durch die Internationalisierung relativiert sich sowas ja auch sehr schnell
Ich bin mir nicht so sicher aber denke es könnte schon so werden
Das ganze Samwer Modell funktioniert in Deutschland einfach nur, weil hier Business-School Hipster die Geschäftsideen aus den USA kopieren. Selber von der Technik keine Ahnung aber Ideen von anderen verkaufen. Die Idee wird kopiert und auf die große Übernahme gehofft.
Natürlich ist da kein Platz für Innovation. Wie denn auch?
99% der Unternehmen, die in Deutschland ihr Risikokapital abstauben sind ganz klar eCommerce Plattformen. Denn hier versteht auch der dümmste VC wie das Modell funktioniert. Kunde kommt (vielleicht), Kunde kauft (vielleicht).
Dienste wie Facebook, YouTube, Twitter oder MySpace (zu seiner Zeit ja durchaus ein Erfolg) hätten niemals ihre Größe erreicht, wären sie bei uns gestartet. Wahrscheinlich wäre es bereits daran gescheitert, dass die Investoren dafür kein US Vorbild hatten. Mit Salesforce, 37Signals (Basecamp, Highrise etc.) will ich gar nicht erst anfangen.
Unternehmen aus dem eher technischen Bereich (SaaS, Server, Provider, Dienste wie Square) haben hier ja kaum eine Chance, weil Investoren doch nur darauf warten, dass wieder jemand um Geld bettelt um den nächsten eCommerce-Klon zu finanzieren.
Sieht man sich mal die wirklich großen Erfolge im (US) Netz an, so stellt man fest das so manch eines dieser Unternehmen bis heute noch kein wirkliches Geschäftsmodell besitzt. Da sitzt der riesige Haufen Investoren und hält das Projekt zusammen und nebenbei verändern diese Unternehmen die Welt.
Welches deutsche Internet Unternehmen kann etwas in der Art von sich behaupten?
Dem ist nichts hinzuzufügen 🙂
Bin vollkommen bei Hannes Hesse:
“Mit 9flats haben Sie doch gerade selbst eine US-Site detailgetreu kopiert.”
Wo ich herkomme, nennt man das ein Plagiat.
Ist aber irgendwie aber passend für einen aus der Generation “copy ‘n’ paste”.
Erstens nimmt der Beitag ja gerade darauf Bezug. Zweitens ist es unendlich dumpf, mich nach 7 relativ bekannten Internet Projekten von denen bis af 9flats alle kein Vorbild hatten, in irgendeine Schublade zu schieben. Aber danke für die Anregung zu meinem nächsten Blog Post.
Ich denke auch hier gilt der Weg der goldenen Mitte.
Weder das eine noch das andere muss richtig sein. Ob ein Unternehmen den richtigen Weg eingeschlagen hat lässt sich jedoch, wenn auch zeitverzögert, relativ einfach anhand seines Erfolges oder Misserfolges messen.
Für die Ermittlung und gescheite Umsetzung erfolgsversprechender Modelle aus den US, ist auch ein Haufen Innovation und Unternehmerisches Denken erforderlich. Die Brüder S. haben in den letzten Jahren ein effektives System hierfür aufgebaut.
Ich halte Sie für mutige Visionäre und hervorragende Strategen, auch wenn ich Ethisch nicht 100%ig konform mit Ihnen bin ( „Blitzkrieg“ email, Nachhaltigkeit ).
Man muss nicht das Rad neu erfinden, aber wenn einer diesen hohen Anspruch an sich stellt ist das durchaus ein Weg auf den er sicherlich sehr erfolgreich werden kann. Genauso kann man auch mit einem Copy-Cat scheitern.
Welchen Nutzen hätte es für unsere Volkswirtschaft wenn wir jedes jedes bestehende Geschäftsmodell als unantastbar betrachten würden? Aus meiner Sicht entsteht Vielfallt und Innovation vor allem durch Wettbewerb.
Ich respektiere beide Ansätze. Für beide Wege gibt es auch genügend erfolgreiche Beispiele. Die gesamte Diskussion über Copy Cats halte ich als nicht zielführend, in dieser Intensität wird Sie wahrscheinlich nur in Deutschland geführt.
Vielleicht ist die Begründüng für die Existenz solcher Diskussionen in unserer Wohlstandsgesellschaft zu suchen, während man sich anderen Orts bereits daran gemacht hat Geld zu verdienen und Arbeitsplätze zu schaffen.
Ich wünsche allen Copy Cats und Innovations orientierten Unternehmen viel Glück bei Ihren Vorhaben!
Gruß,
Hüseyin